Reise nach Mecklenburg

Eine Reise bei schönem Wetter zu beginnen, stimmt froh und optimistisch. So starteten wir am Sonntag, dem 6. Oktober, zu moderater Zeit um 9 Uhr gut gelaunt und bei strahlendem Sonnenschein unsere Bustour nach Mecklenburg. Der Reiseverlauf war angenehm und nahezu staufrei, so dass wir rechtzeitig am Nachmittag unser Hotel in Wismar erreichten.

Dort erwartete uns auch schon unsere Reiseführerin Frau Bathe, den meisten bestens bekannt von früheren Reisen nach Potsdam und Weimar. Das Gepäck kurz auf das Zimmer gebracht und schon starteten wir unseren ersten Programmpunkt, den Rundgang durch die alte Hansestadt Wismar. Die Stadt war wie auch ganz Mecklenburg schon im frühen Mittelalter von den Slawen besiedelt. Ab 1200 kamen dann Siedler aus der norddeutschen Region hinzu. Unter dem Einflussbereich der Hanse wurde auch Wismar gegen Ende des 13. Jahrhunderts zur Hansestadt.

Wenn man durch die Altstadt Wismars geht und die Fassaden der renovierten Häuser betrachtet, verspürt man noch das Flair dieser alten Hansestadt. Unser erstes Ziel war die Kirche St. Georgen. Sie ist wie die zwei weiteren Kirchen St. Marien und St. Nikolai, die wir anschließend noch besuchten, im Stil der Backsteingotik erbaut, die im 14. Jh. unter dem Einfluss der Hanse entstand. Überwältigend für uns war die Höhe des Kirchenschiffs mit seinen 35 Metern.

Im Programm war vorgesehen, von der Aussichtsplattform der Kirche einen Blick auf die Altstadt werfen zu können. Leider kamen wir etwas zu spät, und der Aussichtsturm hatte schon geschlossen. Dafür wurden wir aber von dem weiteren Besichtigungsprogramm voll entschädigt. In unmittelbarer Nachbarschaft von St. Georgen liegt der Fürstenhof, die ehemalige Residenz der Mecklen- burgischen Herzöge. Der heutige Sitz des Amtsgerichts ist das erste bedeutende Renaissance-Bauwerk Mecklenburgs mir Gebäudeteilen der Spätgotik. Besonders beeindruckend ist die imposante Portalgestaltung der Hofeinfahrt und das Kreuzgewölbe in der Durchfahrt.

Ein Wahrzeichen im Zentrum der Altstadt Wismars ist der 80 m hohe Turm von St. Marien, der die Silhouette der Stadt prägt und den Seefahrern den Weg in den Hafen weist. Wir folgten dem Straßenverlauf bis zu der Marienkirche, von der nur noch der Turm übriggeblieben ist. Das im 2. Weltkrieg schwer beschädigte Kirchenschiff wurde in der DDR-Zeit 1960 gesprengt. Lediglich die Sockel der Säulen des ehemaligen Kirchenschiffs geben Zeugnis von einstiger Größe. Von hier aus blickt man auf das Gebäude des Archidiakonats, ein prächtiges Beispiel norddeutscher Backsteingotik. In dem Haus lebte früher der Archidiakon, der als Stellvertreter des residierenden Bischofs mit wichtigen Verwaltungsaufgaben betraut war.

Der Marktplatz in der Nähe wirkt riesig für die verhältnismäßig kleine Stadt. Hier fällt sofort das markante Bauwerk der Wasserkunst ins Auge. Sie ist gleichzeitig das Wahrzeichen der Hansestadt, wurde im 16. Jh. errichtet und diente bis 1897 zur Trinkwasserversorgung der Stadt. Unser nächstes Ziel war die Nikolaikirche. Der Weg führt uns über die Krämerstraße mit ihren farbenfrohen Giebelhäusern und dem Blick auf den Turm von St. Nikolai.

Die Krämerstraße ist seit Stadtgründung eine Geschäftsstraße gewesen. Rudolph Karstadt gründete 1881 dort sein erstes Tuch-Manufakturgeschäft. Nähert man sich der Nikolaikirche, so fällt dem Betrachter sofort das markante Giebeldreieck mit der eingeschlossenen Rosette und den eingearbeiteten Relieffiguren ins Auge. Die mächtige Kirche in Stil der Backsteingotik wurde im 15. Jh. als Kirche der Fischer und Seefahrer erbaut. Unter den vielen sehenswerten Ausstellungsobjekten sticht besonders der Krämeraltar hervor.

Vor Ende unseres Rundganges gab es aber noch ein besonderes Wahrzeichen der Stadt zu sehen, das „Gewölbe über die Runde Grube“. Die runde Grube ist der letzte Teil eines Flusslaufs, der sich durch die Altstadt schlängelt, bevor er in den Hafen mündet. Das Gewölbe ist die Bezeichnung eines Fachwerkhauses, das die runde Grube überspannt. Nach einem langen Rundgang, teils über sehr holpriges Pflaster, konkurrierend mit dem Prinzipalmarkt, kamen wir voller großartiger Eindrücke und reichlich müde in unserem Hotel an. Am Montag standen das Doberaner Münster, die Alt- stadt von Rostock und Warnemünde auf dem Programm.

Bei dem reichhalten Programm musste, wer in Ruhe frühstücken wollte, bereits früh aus den Federn. Denn um 8:30 Uhr fuhr unser Bus pünktlich zu unserem ersten Ziel, dem Münster in Doberan. Bei diesem Namen fühlten wir uns sofort heimisch zumal wir auch mit dem vertrauten Regen begrüßt wurden. Ein Glockengeläut wäre uns anstelle des Regens viel lieber gewesen. Das Doberaner Münster wird als „Perle der norddeutschen Backsteingotik“ bezeichnet. Das Münster ist die im 13. Jh. erbaute Kirche eines ehemaligen Zisterzienserklosters. Im Innenbereich wurden wir in einem lebendigen Vortrag über die Kunstwerke unterrichtet.

Besonders sehenswert ist das Chorgestühl der Mönche mit den kunstvoll geschnitzten Gestühlswangen. Hier sticht eine Schnitzerei besonders hervor, in welcher der Teufel mit Stierkopf einen Laienbruder in Versuchung führen will. Auf dem eingeschnitzten Spruchband sagt der Teufel: „Was machst du hier Brüderchen? Komm mit mir!“ Die Antwort darauf: „Du wirst nichts Böses an mir finden, blutige Bestie“. Der Kopf des Teufels scheint einige Besucher magisch anzuziehen, daher ist er von den vielen Berührungen blankpoliert.

Der Regen blieb uns auch in Rostock treu, aber einen echten Münsteraner haut das nicht um. Außerdem hatten wir es nicht weit bis zu unserem Besichtigungsort, die Marienkirche mit ihrer Astronomischen Uhr. Sie wurde Ende des 14. Jahrhunderts erbaut und immer wieder restauriert. Bis heute besitzt sie noch eine Reihe alter Bauteile. Zweimal täglich findet der Apostelumgang statt. Die Hauptuhr zeigt u.a. einen vollständigen 24-Stundenumlauf, Tierkreiszeichen, Monatsbilder, Kalenderscheibe, außerdem zwei gegen den Uhrzeigersinn rotierende Scheiben für Sonnen – und Mondphasen. Das ist nur in Kürze das Wesentliche der Aufzählung. Ganze Bücher sind über die Astronomische Uhr verfasst.

Ein weiteres Highlight ist das Bronzetaufbecken, erschaffen Ende des 13. Jahrhunderts. Es besteht aus drei Teilen: vier Männer tragen das Gesamtwerk, der mittlere Teil stellt das Leben Jesu dar und den dritten Teil, den Deckel, zieren vier Löwenköpfe. Taufe und Himmelfahrt Jesu sind die herausragenden Darstellungen auf dem Deckel. Die Inschriften auf dem Mittelteil geben das „Ave Maria“ und das „Salve Regina“ wieder.

Zum Schluss genossen wir noch ein kleines Orgelkonzert. Seit über 500 Jahren erklingen bereits Orgeln in der Marienkirche. Das Innere dieser Orgel besteht aus 5.700 Pfeifen; jedoch werden noch Restaurierungsmaßnahmen nötig sein, da man mit ihrem Klang noch nicht ganz zufrieden ist. Für unsere Ohren trotz allem ein Hochgenuss.

Bei einem Stadtrundgang bewunderten wir die Altstadt mit der Kröpeliner Straße, einst eine alte Hansestraße. Die alten Giebelhäuser stammen aus den verschiedensten Architekturperioden, aber auch ein moderner Baustil fügt sich gut in das Gesamtbild ein. Der Brunnen der Lebensfreude – im Volksmund auch „Pornobrunnen“ genannt –, beeindruckte uns enorm. Die lebensgroß dargestellten Personen sind nackt und eng beieinander, was dem Brunnen natürlich auch Kritik einbrachte. Er befindet sich am Universitätsplatz. Im Hintergrund steht das Universitätsgebäude.

Am Nachmittag fuhren wir trotz anfangs regnerischen Wetters nach Warnemünde und wurden nicht enttäuscht, denn Petrus hielt sich diesmal mit Regen zurück. An der Promenade des Hafens konnten wir uns neben der gesunden Seeluft auch den Duft von Bratfisch um die Nase wehen lassen und so manch kurioser Laden forderte uns zum „Aufhübschen“ auf. Drei rüstige Wanderer gingen bis zum Ende der Promenade, um von einer kleinen Anhöhe einen Blick auf die Ostsee mit dem grünen Leuchtturm zu werfen.

Zum Schluss kam dann die Sonne zwischen den Wolken durch und warf ihr Licht auf den farbenfrohen Hafen. Der Dienstag war der Landeshauptstadt Schwerin mit seinem märchenhaften Schloss auf der vorgelagerten Halbinsel und der malerischen Altstadt gewidmet. Das Schloss wurde 2024 zusammen mit mehreren Gebäuden der Altstadt in die UNESCO Welterbeliste aufgenommen. Der schönste Blick auf das Schloss erschließt sich vom Schweriner See, auf dem wir eine Bootsfahrt machten. Selbst bei trübem Wetter setzen sich das Ockergelb der Türme und die vergoldeten Kuppeln vom tristen Grau des Hintergrundes strahlend ab. Vor der Bootsfahrt stand zunächst die Besichtigung des Schlosses an. In der ehemaligen Hauptresidenz der Herzöge wurden wir durch die öffentlich zugänglichen Räume geführt, die jedoch nach dem Übergang im Jahr 1919 in staatlichen Besitz nicht mehr möbliert sind. Wir bestaunten die hervorragend restaurierten Tapeten und Decken, die nicht aus Stuck, sondern wegen Gewichtsersparnis aus Pappmaschee geformt sind, desgleichen auch den Thronsaal mit dem Parkett aus feinsten Intar- sien. Natürlich muss so ein imposantes Schloss auch einen Schlossgeist haben, der hier liebevoll das Petermännchen genannt wird. Er soll, so heißt es, sogar Wallenstein mit seinem nächtlichen Spuk so schikaniert haben, dass der völlig übermüdete General am nächsten Morgen abgereist und nie wieder nach Schwerin zurückgekehrt sei.

Heute zeigt sich der Wicht nur noch von seiner net- ten Seite und hilft Passanten als Ampelmännchen auf dem Weg vom Schloss in die Altstadt über die Straße. Bei der anschließenden Bootsfahrt auf dem Schweriner See hielten sich die meisten von uns wegen des trüben Wetters in der behaglichen Wärme unter Deck auf. Nach den vielen eindrucksvollen Erlebnissen wurden wir mit einer reich gedeckten Kuchentafel im Kaffeehaus der Orangerie des Schlosses verwöhnt. Gut gestärkt konnten wir danach den anschließenden Stadt- rundgang starten.

Durch das Gewirr der Altstadtgassen stießen wir am Altstädtischen Markt auf ein besonders originelles Kunstwerk: die Gedenksäule für Stadtgründer Heinrich den Löwen. Auf der Skulptur, die anlässlich der 1000-Jahr-Feier Mecklenburgs vom Bildhauer Peter Lenk gestaltet wurde, wird auf besonders drastische Weise gezeigt, was die Bürger von Heinrich dem Löwen hielten. Denn laut der Legende sollen die Bardowicker Bürger aus Groll dem durchreisenden Herzog statt der kalten Schulter ihr entblößtes Hinterteil gezeigt haben.

Von hier ist es nur noch ein Sprung zum Schweriner Dom St. Marien, den wir daraufhin besichtigten. Das imposante Meisterwerk der frühen Backsteingotik mit seinem 117 m hohen Turm beherrscht das Zentrum der Altstadt und ist zugleich das älteste Gebäude der Stadt. Leider konnten wir die 220 Stufen zur Turmspitze mit sei- nem spektakulären Ausblick aus Zeitgründen nicht mehr besteigen. Dafür konnten wir aber die eindrucksvollen Kunstwerke im Kirchenschiff besichtigen. So gehören die Kirchenfenster im hohen Chor zu den bedeutendstenten Werken der Glasmalerei des 19. Jahrhunderts. Vom Dom ging es weiter durch die Altstadt zum Pfaffenteich und durch die Schelfstadt zum Parkplatz, wo uns unser Bus erwartete.

Unsere Mannschaft hatte an dem langen Tag wacker durchgehalten, wie man auf dem Bild kurz vor Erreichen des Parkplatzes feststellen kann. Am Mittwoch starteten wir schon um 8:00 Uhr mit unserem Bus, denn wir hatten ein strammes Tagesprogramm. Unser erstes Besuchsziel war Güstrow. Die Stadt ist un- trennbar mit dem Barlachmuseum verbunden. Dieses Museum war für viele von uns einer der Höhepunkte. Barlach, ein Expressionist, lebte hier etliche Jahrzehnte und schuf ebenfalls hier den größten Teil seines vielseitigen Werkes. Barlach interessierte sich hauptsächlich für den Menschen mit seinen Sorgen und Nöten. Diese brachte er, auf das Wesentliche reduziert, in seinen Skulpturen zum Ausdruck. Leider entsprach seine Kunst dem Geschmack des Dritten Reiches nicht und seine Arbeiten fanden keine Anerkennung. Neben seinen plastischen Arbeiten – wie z.B. „Der Zweifler“, „Singen- der Mann“, „Der Träumer“ – ist sein bekanntestes Werk „Der Schwebende“. „Der Schwebende“ befindet sich im Güstrower Dom und stellt ein Ehrenmal für die Opfer des 1. Weltkrieges dar. Es ist schon sehr beeindruckend, diese Figur mit den geschlossenen Augen, die höchste Konzentration ausstrahlt, zu betrachten. Wir waren alle sehr ergriffen.

Der Nachmittag war Schloss Bothmer gewidmet. Eine recht frische Brise begrüßte uns beim Ausstieg, aber trotz allem genossen wir den Anblick einer der schöns- ten Alleen, die zum Schloss gehört. Graf Bothmer, der erste Premierminister Englands, der in der 10 Downing Street wohnte, ließ dieses Kleinod im englischen Countrystil erbauen. Aber das Kurioseste: Er konnte nie in seinem Schloss wohnen, da er kurz vor der Vollendung verstarb. Begleitet von einer Führerin mit einem originellen Vortragsstil machten wir einen kurzweiligen Spaziergang durch den Schlosspark und besichtigten anschließend das Schloss.

Danach ließen wir den Nachmittag in dem Café in der Orangerie ausklingen. Am Tag der Heimreise besuchten wir Schloss Ludwigslust, das auch das „Mecklenburgische Versailles“ genannt wird. Die klassizistische Dreiflügelanlage ist die ehema- lige Residenz der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin. Wegen Renovierungsarbeiten konnten wir aber den Goldenen Saal und den Jagdsaal nicht besuchen, sondern beschränkten uns auf den rechten Schlossflügel, in dem die Bildergalerie untergebracht ist. In der reichhaltig bestückten Ausstellung stechen die Gemälde von lebensgroßen Abbildungen exotischer Tiere hervor, die auf den Bildern in fast fotorealistischer Genauigkeit wiedergegeben werden. Der Blick aus dem Schlossfenster auf die Große Kaskade und die Evangelische Kirche war leider durch Regenschauer getrübt.

Trotzdem wagten wir mit Regenschirmen bewaffnet nach der Schlossbe- sichtigung einen Spaziergang zur Evangelischen Kirche, die in klassizistischer Form erbaut wurde und mit ihren dorischen Säulen eher wie ein Tempel aussieht. Hat sich der Weg bis dahin gelohnt, fragten wir uns noch vor dem Eingang. Im Inneren wurde unser Einsatz belohnt, denn unser Blick wurde auf ein gewaltiges Altargemälde gelenkt, das die Geburt Christi an die Hirten auf dem Felde zu Bethlehem verkündet. Das war zum Schluss noch ein Highlight.

Anschließend Stärkung beim „Tutti Gusti“. Vor Pizza und Pasta Gelegenheit zu einem großen Dankeschön: An erster Stelle für unsere bewährte Reiseführerin „vor Ort“ Ingrid Bathe. Sie hat wieder einmal den Ablauf des umfangreichen Programms minutiös vorbereitet, so dass überhaupt „nichts schief“ gehen konnte. Mit diesem Lob verband Eckard Andersson seine Bewunderung für die inhaltliche Vorbereitung. „Wir wurden immer umfassend informiert und haben viel dazu gelernt“, sagte er unter dem starken Beifall aller Teilnehmer. Auch dem immer munteren Fahrer Gerd aus Holland galt – vorbehaltlich einer sicheren Rückreise – unser Dank. Mit mehreren in der Region ausgewählten Präsenten bedankte sich unsere Präsidentin Michaela Heuer zunächst bei Inge und Eckard Andersson für die gelungene Organisation und Durchführung der Reise. Den Dank an Ingrid Bathe be- kräftigte sie mit einer besonderen Überraschung: „Nach drei Studienreisen mit Dir gehörst Du mittlerweile dazu, so dass wir Dich herzlich zu unserer Jubiläumsfeier nach Münster einladen“. Ingrid Bathe hat sofort zugesagt. Auf ein Wiedersehen in Münster!

DIETER UND ELKE VON SCHWERTFÜHRER