Deutschlands Sicherheitslage
Ruprecht Polenz, beredter und kompetenter Kommentator aktueller Politik, versierter Blogger, „elder statesman“ und anerkannter Außenpolitiker, referierte am 24. Oktober – nur eineinhalb Wochen vor der US Wahl – im Civilclub vor gut 75 Mitgliedern und Gästen zur Deutschen und Europäischen Sicherheits-Lage vor den kommenden US-Präsidentschaftswahlen.
Polenz zeichnete ein eher pessimistisches Zukunftsbild anlässlich der weiter großen Bedrohungen wie des Ukraine Krieges, der schwierigen Lage in Nahost, des Hegemoniestrebens Russlands und auch der Unwägbarkeiten der US-Wahl sowie der partiellen Uneinigkeiten der EU. Seit der Kuba-Krise sei, so Polenz, die politische Weltlage nicht mehr so diffus und zugleich angespannt gewesen. Besonders die massiven Versuche, ihre Bevölkerung durch Falschmeldungen zu verunsichern, machen Donald Trump und Elon Musk, aber auch Wladimir Putin zu gefährlichen Gegnern offener Wahlen und freier Medien. Das massive Großmachtstreben Russlands mit seinen Territorialansprüchen, nicht nur gegen die Ukraine, sondern in alle Richtungen, verschärfen die Lage zudem.
Obendrein treten verstärkt die Länder Russland, China, Nordkorea und Iran als eine neue Art der Achse des Bösen an, mit gemeinsamen Kräften zerstörerisch auf den Weltfrieden einzuwirken, so Polenz, der sich wahrlich in der politischen Welt auskennt. Ausserdem macht die Tatsache, das nur noch 24 von gut 180 Staaten der Welt von echten Demokratien und frei gewählten Regierungen regiert werden, dem politischen Betrachter Kopfzerbrechen. Eine verlässliche Einschätzung der internationalen Sicherheitslage und der unbedingt notwendigen deutschen Aktivitäten sei deshalb schwierig bis unmöglich. Aufgeben und die Unterstützung der Ukraine einstellen sei, so Polenz warnend, keine Option für die EU und Deutschland. Denn Putin sei durch Nachgeben nicht zu beeindrucken. Aber Länder und Bündnisse müssen dann auch das wollen und tun, ihre Rüstungsausgaben erhöhen und das nach innen und aussen vertreten, was sie sagen und auch die Fähigkeiten dazu haben und intensiv verstärken.
Das heißt, Deutschland und die Bündnispartner in der Nato müssen sofort mehr für ihre eigene Sicherheit tun und sich nicht um Kleinigkeiten streiten. Denn egal wie die Wahlen in den USA ausgehen, die Schwerpunkte der US-Politik werden mehr im Indopazifischen Raum denn in Europa liegen. Amerika als omnipotente Sicherheitsmacht für Europa dürfte Vergangenheit sein und Europa muss einig sein, selbst für sich zu sorgen. Polenz Vortrag beeindruckte durch zahlreiche markante Beispiele und fundierte, einprägsame Zitate, wie die von Anne Appelbaum (Friedenspreisträgerin des dt. Buchhandels 2024) für die aktuelle Sicherheitslage in Europa.
Die notwendigen akuten Handlungsoptionen, gerade für Deutschland, wurden dagegen nur angedeutet, was aber auch an den unklaren Aussagen im US-Wahlkampf liegen könnte. Die CC Mitglieder und Ihre Gäste verließen, nach Fragen und weiteren inhaltsschweren Antworten wirklich umfassend informiert, aber eher bedrückt und ratlos ob der aktuellen Lage, die wirklich gelungene Veranstaltung. MATTHIAS PAPE