Picasso, Künstler - Mensch

Zur Erinnerung an den 50. Todestag von Pablo Picasso, der am 8. April 1973 im südfranzösischen Mougins starb, zeigt das Picasso-Museum auf zwei Etagen 142 Werke von Picasso: Tusche- und Bleistiftzeichnungen, Gou- achen, Gemälde in Öl- oder Aquarelltechnik sowie Keramik aus eigenen Beständen und aus dem Besitz von Privatsammlern aus der Schweiz und Deutschland. Ergänzt werden die ausgestellten Exponate mit vielen Fotos, die den Künstler oder die Menschen darstellen, denen er im Laufe seines Lebens begegnet ist und die besondere Bedeutung für ihn hatten. Schon der Titel der Ausstellung verrät, dass es hier nicht um die Darstellung einer bestimmten Epoche oder eines bestimmten Themas im künstlerischen Schaffen von Pablo Picasso geht. Die Zielsetzung der Veranstalter ist es vielmehr, ein Portrait der Persönlichkeit Picassos zu entwerfen, menschlich sowie künstlerisch. Am 12. Juli 2023 waren 29 Civilisten zu Gast im Picasso-Museum, die, in zwei Gruppen aufgeteilt, durch die Ausstellung geführt wurden. Die Begleitung unserer Gruppe übernahm die uns schon von früheren Museumsbesuchen bekannte und geschätzte Kunsthistorikerin Frau Inge Milkowski, die uns mit Kompetenz und viel Einfühlungsvermögen entlang ausgewählter Bilder und Fotos durch das Leben des Künstlers leitete. Hatte doch Picasso selbst gesagt: „Ich male so, wie andere Autobiografien schreiben.“ Pablo Picasso wurde am 25. Oktober 1881 als ältester Sohn eines Malers sowie Lehrers an einer Kunstgewerbeschule und seiner Ehefrau Maria in Malaga geboren. Bereits mit 14 Jahren im Jahr 1895 schaffte er sofort die Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie von Barcelona, wo der Vater eine neue Stelle bekommen hatte. Ab 1897 studiert er kurz an der Königlichen Akademie in Madrid, verließ die Hochschule jedoch bald, weil ihm die Lehrmethoden nicht gefielen. Mit einem Freund im Jahr 1900 zur Weltausstellung nach Paris gereist, beeindruckten ihn besonders die Werke der französischen Impres- sionisten. Ab 1904 lebte Picasso dauerhaft in Frankreich, zunächst in bescheidenen Verhältnissen des Pariser Bohème-Milieus. Mit wachsendem Bekanntheitsgrad und damit auch wirtschaftlichem Erfolg wandelten sich seine Lebensverhältnisse zuletzt in einen großbürgerlichen Stil, dem er jedoch immer eigenwillig ein bohèmehaftes Timbre gab. Frauen spielten eine bedeutende Rolle in Picassos Leben – und er sicherlich auch für sie. Sie prägten jeweils eine Schaffensperiode in seiner künstlerischen Entwicklung. Er schuf viele Portraits von ihnen oder bildete sie verborgen in Werken mit anderer Thematik ab. Seine erste Lebensgefährtin Fernande Olivier, eine geschiedene Frau aus kleinbürgerlichen Verhältnissen mit Begeisterung für die Impressionisten, die ihn von 1905 bis 1912 begleitete, sprach in ihren Erinnerungen besonders von den eindringlichen Augen Picassos als „eine Art Magnetismus“. Nachdem die Liaison mit Fernande zerbrochen war, wandte er sich Eva Gouel, einer neuen Muse, bis zu ihrem frühen Tod 1915 zu. Er reiste mit ihr nach Avignon, wo sie ihn u. a. zu dem kubistischen Gemälde „Les demoiselles d’Avignon“ inspirierte, das erste seiner Art und das er nach seiner Rückkehr nach Paris ausstellte. Picasso verkehrte schon seit Jahren in den Pariser Künstler- und Literaturkreisen und war weit über die Grenzen der französischen Hauptstadt bekannt. Zu seinen Bekannten und Freunden zählten z. B. die Maler Léger, Delaunay, Braque, die Dichter Apollinaire, Cocteau, der Kunstsammler Leo Stein, der deutsche Kunsthändler Kahnweiler sowie der Galerist Amboise Vollard. Als die Primaballerina Olga Stepanowna Chochlowa des „Ballets Russes“ in sein Leben trat und Picasso sie 1918 heiratete, verwandelte sich sein Lebensstil ins Großbürgerliche. Er kleidete sich in Maßanzüge, besaß Autos und einen Chauffeur. Nachdem der Künstler 1923/24 die Surrealisten André Breton und Louis Aragon kennge- lernt hatte, wandte er sich vom Kubismus ab und begann surrealistisch zu malen. Er entfremdete sich von seiner Ehefrau Olga, blieb jedoch mit ihr verheiratet und begann heimlich eine Liaison mit der noch minderjährigen Marie-Thérèse Walter. Als Spanier, dem der Stierkampf ohnehin nicht fremd war, machte Picasso nun den Minotaurus zur zentralen Figur seiner Werke mit den Akzenten: Sexualität, Gewalt und Tod. Aus der Beziehung zu Marie-Thérèse hatte Picasso die Tochter Maya. Mit seiner Ehefrau Olga blieb er bis zu ihrem Tod 1955 verheiratet, weil er seinen Besitz nicht mit ihr teilen wollte, obwohl sie die Scheidung wollte. In den 40er Jahren begann Picasso ein Verhältnis mit der französischen Fotografin Dora Maar, ohne jedoch seine Beziehung zu Marie-Thérèse Walter abzubrechen, so dass die beiden Frauen um seine Zuneigung konkurrierten. Während der Krieges wurde Picasso, der Ausstel- lungsverbot hatte, sogar Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs, ohne dass dieser Schritt Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen hatte. Nach der Befreiung von der deutschen Besatzung besuchte Picasso häufig Matisse an der Côte d’Azur. Beide Künstler schätzten sich und beeinflussten einander. Seine neue Begleiterin hieß Françoise Gilot, Mutter seiner Kinder Claude und Paloma. Sie war die einzige Frau, die Picasso immer frontal darstellte. Als sie sich 1953 von dem Künstler trennte, war sie auch die einzige Frau, die ihn aus eigener Entscheidung verlassen hatte. Seine Kinder stellte Picasso mehrfach dar, und zwar malte er mit den Fingern, so wie Kinder gerne malen. Übrigens nannte er seine Tochter Paloma, weil sie am Tag des Friedenskongresses 1949 in Paris zur Welt gekommen war und Picasso ein Plakat mit einer Taube für das Ereignis entworfen hatte. Die Jahre bis zu seinem Tod am 8. April 1973 verbrachte Picasso in der aus der Kindheit in Spanien vertrauten mediterranen Umgebung, und zwar in Südfrankreich, im Ort Vallauris, wo er sich vor allem der Töpferei widmete, danach in Cannes in der Villa „La Californie“. Als dort hohe Wohnhäuser gebaut wurden, kaufte er das Schloss Vauvenargues mit dem Titel eines Marquis bei Aix-en-Provence, mit Blick auf das von Paul Cézanne so geliebte Gebirge „Montagne Sainte-Victoire“. Zuletzt bewohnte er mit seiner letzten Frau Jacqueline Rogue, die er nach dem Tod seiner Frau Olga 1961 geheiratet hatte, den „Mas Notre-Dame-de-Vie“ in Mougins, nördlich von Cannes. Es soll abschließend nicht unerwähnt bleiben, dass bei Picasso immer gut, jedoch betont wenig gegessen wurde, dass er viel, konzentriert und zügig arbeitete, wobei er oft noch die Nacht zum Tag machte. Tiere duldete er gern in seiner Umgebung, wie z. B. Tauben oder seinen deutschen Dackel. Die Eule, die er auch mehrfach abbildete, diente ihm offenbar als Identifikationsfigur, weil ihre Augen, mit denen sie durchdringend sehen konnte (allerdings nur in der Nacht), den seinen ähnlich waren. DR. RENATE LOOS