Sonne - im Museum Barberini
Zu Beginn werden wir eingestimmt. Eine rot-orange gefärbte Sonnenkugel mit Feuerkranz leuchtet uns ent- gegen, strahlt uns an. Ein Eindruck, den wir mit dem bloßen Auge nicht erfahren könnten. Die Künstlerin Katharina Sieverding, Schülerin von Josef Beuys, hat „Die Sonne um Mitternacht schauen“ 2017 erstellt, eine aus 200 000 Satellitenaufnahmen der NASA produzierte Medieninstallation, die die Oberfläche der Sonne zeigt.
Das Museum präsentiert eine Ikonografie der Sonne von der Antike bis zur Gegenwart. Warum gerade in Potsdam und im Barberini? Es sind zwei nahe liegende Gründe. Die Dauerausstellung Sammlung Plattner ent- hält das Gemälde Claude Monets „Der Hafen von Le Havre am Abend“ von 1872. Der Künstler verarbeitet hier seine Erlebnisse der Reise nach London, wo er den größten Hafen der Welt gesehen hatte. Le Havre war damals der zweitgrößte Hafens Frankreichs. Das bewegte Monet, dort gleich nach der Rückkehr seine Eindrücke am Morgen und in der Nacht festzuhalten. Die Namensgebung der Kunstrichtung Impressionismus geht, wie im März Kurier angekündigt, auf das Werk „Impression;Sonnenaufgang“ zurück, das als Pendant zu dem im Bar- berini gezeigten Gemälde vom gleichen Tage und vom gleichen Ort entstanden ist.
Das Musée Marmottan Monet in Paris ließ sich angesichts der vom Barberini geplanten Ikonografie vom Chefkurator Dr. Michael Philipp überzeugen, das Bild erstmals – wenn auch nur für acht Wochen – „außer Haus zu geben“. Nun ist es das „Leitbild“ der Ausstellung. Der Einsteinturm, der von 1920 bis 1922 als Observatorium auf dem Telegrafenberg in Potsdam errichtet wurde und in dem mit einem Doppelspektrografen Magnetfelder auf der Sonne gemessen werden, ist der weitere Anlass, sich dem Thema Sonne in Potsdam zu widmen.
Die sich wandelnden Darstellungen der Sonne in der Kunst von der Antike bis zur Gegenwart bezeugen, welche Bedeutung und Gewalt diesem lebensgebenden Mittelpunkt jeweils zugemessen wurde. In der Antike trat die Sonne als menschliche Gestalt auf. Zunächst als Gott Helios. Später als Apollon. Im antiken Mythos wird von zwei Ereignissen berichtet, bei denen sich jugendlicher Leichtsinn und Übermut der Gottesgestalt Sonne ent- gegenstellten und dabei verloren.
Ira Oppermann zeigt uns die Bilderfolge des venezianischen Malers Carlo Saraceni (1579–1620). Sie stellen den Ikarus Mythos in dreiSzenen dar. Der wagemutige Ikarus kommt dem heißen Gestirn zu nahe und stürzt in die Tiefe („Die Nähe der raffenden Sonne schmelzt das duftende Wachs, das Binde- mittel der Federn“, Ovid, Metamorphosen). Ovid erzählt in den Metamorphosen auch von Phaëton, dem Sohn des Sonnengottes Apollon, der die Kontrolle über den Sonnenwagen verliert. Apollon kann den Wagen gerade noch anhalten und verhindert so einen Weltenbrand.
Peter Paul Rubens hat die Szene im Gemälde „Der Sturz des Phaëton“ 1604/05 dargestellt. Ausgehend vom Alten Testament, 1. Buch Moses („Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.. und Gott sprach: Es werde Licht!..“) ist die Sonne ein von Gott geschaffenes Element der Schöpfung. Dem entsprechen die christlichen Darstellungen. Ein bekanntes Bild (1450–1460), das Valencia zugeordnet wird, zeigt die Kreuzigungsszene, wie sie vom Evangelisten Lukas beschrieben wurde. Die Sonne steht als Zeugin am Himmel. Bei Malern der Romantik steht die Sonne als Verkörperung des Göttlichen besonders im Mittelpunkt. Auffallend ist die sehr symmetrische Anordnung in Gemälden wie „Ostermorgen und Weidengebüsch bei tiefstehender Sonne“ von Caspar David Friedrich (1774–1840). Der Blick soll direkt auf die Sonne als Zeichen der Hoffnung gelenkt werden.
Das im März-Kurier abgebildete Gemälde „Mortlake Terrace“ (1827) von William Turner gilt als Beispiel für das Bemühen auch dieses Künstlers, nun mehr die Wirkungen der leuchtend am Himmel stehenden Sonne zu erfassen und zu beschreiben. Der Sonnenstrahl trifft die Flussmauer, „die vom Maler praktisch runtergebrannt wird“, so Ira Oppermann. Turner kann als ein Vorreiter der Impressionisten gelten, die wie Monet im Leitgemälde der Ausstellung die Sonne während der Dämmerung in ihrer gemilderten Lichtqualität malerisch darstellen konnten.
Die zum Expressionismus ausgestellten Bilder fallen durch die von den Sonnenstrahlen erzeugte hohe Farbintensivität auf. Gezeigt werden Max Pechsteins „Flusslandschaft“ (1907) und Edvard Munchs vermutlich vom Osloer Physiker Birkeland beeinflusstes Gemälde „Die Sonne“ (1910–1913).– Der katalanische Künstler Joan Miro lässt die Sonne in seinem Werk mit dem schlichten Titel „Malerei“ (1953) links oben als roten Feuerball aufleuchten. Wir erkennen hier den Vorläufer des im Auftrag des spanischen Staates von Miro erstellten „Espana Logo“. Aus der jüngsten Moderne sehen wir ein Produkt der Pop Art. Gérard Fromanger zeigt keine gemalte Sonne. Vielmehr tritt die Sonne als Malerin in Aktion. Die leuchtend gelbe Farbe fließt über den Rand der Son- nenscheibe hinaus.
Wir danken Frau Dr.Ira Oppermann für die wunderbare Führung durch die Ausstellung, die uns nachweist, welche bedeutende Rolle das Sonnenlicht als Zeichen göttlicher Macht, mystischer Kraft sowie als atmosphärisches Element in der Kunst hat.
ECKARD ANDERSSON