Soziale Teilhabe
Am 25. Juli 2023 begrüßte unsere Clubpräsidentin Michaela Heuer im Rahmen der CC-Abendveranstaltungen Herrn Ralf Bierstedt, Leiter des Jobcenters Münster. Um es vorneweg zu sagen: Ralf Bierstedt ‚lebt‘ das Jobcenter Münster!
Als Leiter dieser Münsteraner Einrichtung präsentierte Herr Bierstedt als Referent der Abendveranstaltung des Civilclubs nahe am Auditorium und mit Verve - sachlich und humorvoll zugleich - die Organisation, deren Aufgaben und – nicht ohne spürbaren Stolz – das Erreichte in den letzten zwölf Jahren seiner beruflichen Tätigkeit. „Sein“ am Ludgerikreisel beheimatetes Jobcenter ist mit seinen weiteren Außenstellen dabei eine von 18 nordrhein-westfälisch gleichartigen Einrichtungen in rein kommunaler Trägerschaft.
Die Finanzierung des 180-Millionenbudgets werde zu knapp 90 Prozent über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sichergestellt, ungefähr 22 Millionen übernehme die Stadt Münster. Der Ursprung aller Jobcenter begründete sich auf die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe durch die Hartz IV-Reformen der Bundesregierung un- ter Kanzler Schröder – auch bekannt als Agenda 2010. Kernpunkt unter dem Eindruck des damaligen Höhepunktes der Arbeitslosenquote von 10,5% im Jahre 2003 war die Vermeidung einer Doppelbetreuung der betroffenen, anspruchsberechtigten Bürger durch zwei Verwaltungen (Ämter). Während heute die Vermittlung von Arbeitssuchenden in den meist ersten 12 Monaten der Agentur für Arbeit (Arbeitslosengeld) als Versicherungsleistung obliegt, bekamen die Jobcenter innerhalb des Sozialgesetzbuches II vielfältige Aufgaben – weit über die Heranführung der Leistungsempfänger bzw. ‚Kunden‘ an eine geregelte Erwerbstätigkeit hinaus. Doch dazu später.
Durch den Vortrag von Ralf Bierstedt zog sich ein roter Faden: Hilfestellung und Unterstützung um aus dem System gefallene Menschen in gesellschaftliche Prozesse wieder zurückzuführen und Förderungen von jungen Erwachsenen mit und ohne Migrationshintergrund, welche weder Schulabschlüsse noch anderweitige Qualifikationen vorweisen würden. Mit verständlichem Stolz berichtet Ralf Bierstedt, dass es dem Jobcenter Münster gelungen sei, 450 jungen Menschen im letzten Jahr über eine Integration in einen Ausbildungsberuf eine Perspektive gegeben zu haben. Eine Win-Win-Situation - auch für die Stadtgesellschaft. Der Referent zeigte neun Kategorien möglicher Förderleistungen. Von Beratungen, Coachings bis Eingliederungshilfen und Leistungszuschüssen reicht das Repertoire des Jobcenters.
Die Begleitung des Klienten kann bis zu 5 bis 7 Jahre umfassen, wie Ralf Bierstedt anhand zweiter typischer Fallkonstellationen darlegt. Jährliche Bilanz von Bierstedt’s Team von 340 Mitarbeitern: 3700 Förderungsleistungen, 3000 Integrationen in sozialver- sicherungspflichtige Jobs und die vorgenannten 450 In- tegrationen in Ausbildungen. Soziale Teilhabe durch Beschäftigung? Ralf Bierstedt benennt im Verlauf seines Vortrages die Wiedererlangung von Tagesablaufstruktur, Stärkung des Selbstwertgefühls, Verhütung von Selbstisolation und Suchtgefahren und die Eingliederung in Gesellschaft und persönliche Netzwerke als Ziel der umfangreichen Bemühungen. Gerade durch den Fachkräftemangel sei es lohnend auch Menschen, die nicht ideal alle Voraussetzungen für eine Tätigkeit mitbrächten und noch herangeführt we den müssten, eine Chance zu geben. Interessenten mit Jobangeboten können sich in diesem Zusammenhang jederzeit gerne an das Jobcenter oder ihn persönlich wenden. Herr Bierstedt machte das Auditorium auf die Fach- und Weiterbildungsmesse im Januar 2024 in der Halle Münsterland aufmerksam.
Das Jobcenter sichert den sozialen Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft! Ralf Bierstedt verschweigt nicht, dass es auch Misserfolge geben würde. Menschen, die nicht erreicht werden können. Ein Vermittlungsvorrang bestehe für die Jobcenter im Gegensatz zur Agentur für Arbeit sozialgesetzlich nicht. 30 Prozent der ‚Kunden seien gesundheitlich signifikant eingeschränkt. Andere blieben trotz aller Bemühungen ‚arbeitsmarktfern‘ und damit Leistungsbezieher des neu verankerten Bürgergeldes. Hiervon profitierten aktuell insgesamt 20.000 Bürger/-innen der Stadt, davon die Hälfte in Familien. Bierstedt zeigt eine weitgehend unbekannte soziale Aufgabe: nach der Starkregenkatastrophe 2014 waren die Soforthilfen über das Jobcenter für die Bürger gezahlt worden, die Hab und Gut verloren hatten. Auch die finanzielle Absicherung der aktuell 3300 ukrainischen Flüchtlinge würde dort geleistet. Ralf Bierstedt lässt seinen Vortrag mit den Bildern ‚Präsenz vor Ort in den Sozialräumen‘ und ‚Sozialer Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft‘ ausklingen.
Nach der traditionellen Fragerunde dankte Präsidentin Heuer dem Referenten herzlich unter dem Applaus der zahlreich anwesenden Clubmitglieder mit Worten und einem Clubpräsent in Form eines anregenden Tropfens. Ein rundum gelungener Abend neigte sich nach offenen Tischgesprächen dem Ende entgegen. DR. PETER VOGT